Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – an diesem Sprichwort ist wirklich was dran. Auch auf Ramona Graeff trifft es zu, die als erste deutsche Boxerin an Olympischen Spielen teilnehmen möchte. Die Mathematikstudentin und Sportsoldatin (22) stammt aus einer echten Kampfsportfamilie, denn beide Elternteile betreiben hobbymäßig Kung Fu, auch ihre Brüder waren schon als Kinder aktiv. Sie selbst hat im zarten Alter von drei Jahren angefangen und ist später aufs Kickboxen umgestiegen. Zum Boxen ist die amtierende Deutsche Meisterin in der Klasse bis 57 kg nur deshalb gekommen, weil sie ihre Armtechnik verbessern wollte: „Dann bin ich da hängengeblieben.“ Schnell wurde ihr auch bewusst, dass Boxen seit 2012 in London für Frauen olympisch ist und nicht nur deshalb seriöser: „Beim Kickboxen gibt es zig Verbände, ein Deutscher Meistertitel ist nicht unbedingt so viel wert.“
Schwierige Vermarktung
Ramona Graeff, die in Düsseldorf lebt und für die TG 75 Darmstadt startet, möchte im Dezember bei der EM in Italien starten und den Titel holen. Das erste Qualifikationsturnier hat die Dritte der Studenten-WM 2018 mit drei Siegen optimal abgeschlossen, Ende Oktober folgt in Rostock noch ein weiterer Prüfstein, und dazwischen steht ein internationales Turnier in Schwerin auf dem Programm. Trotz der Pandemie ist im Boxsport also ganz schön viel los, wobei Graeff noch bezweifelt, dass die Spiele in Tokio nächstes Jahr stattfinden werden: „Momentan kann ich mir nicht vorstellen, wie das umgesetzt werden soll.“ Auf dem Weg zu welchem sportlichen Höhepunkt auch immer, fühlt sie sich von der Sportstiftung Hessen sehr gut unterstützt. „Das war mein erster finanzieller Förderer. Auch bei Verletzungen konnte ich mich immer verlassen.“ Im Frauenboxen sei das umso wichtiger, weil es sich um eine immer noch mit Vorurteilen behaftete Randsportart handele. Sponsoren aus der freien Wirtschaft seien dementsprechend schwer zu bekommen; sie selbst habe sich in puncto Vermarktung aber auch noch nicht größer schlau gemacht. Wann sie dafür die Zeit finden wird, das steht in den Sternen. Momentan schafft sie es jedenfalls kaum, sich neben dem Hochleistungssport noch um ihre Bachelorarbeit zu kümmern, die einen Aspekt der Spieltheorie behandelt: „Immer wenn ich da bisher dran war, bin ich wieder rausgerissen worden“, so Graeff, die – nachdem sie zwei Schulkassen überspringen durfte – als 16-Jährige schon Studentin war.
Doch noch einmal zurück zum Frauenboxen an sich, das hierzulande ein Schattendasein führt. „Deutschland ist wirklich ganz weit unten. Die internationalen Konkurrentinnen freuen sich immer, gegen eine Deutsche zu boxen“, erzählt Graeff, die das gerne ändern möchte und die dank ihrem Talent, ihrer Zielstrebigkeit plus ausgeprägtem Selbstbewusstsein auch das Zeug dazu hat. Die Hundebesitzerin (Boxerhündin Luna ist 2) würde sich auch wünschen, dass es mit den typischen Vorurteilen bald einmal aufhört: „Hast du denn keine Angst um dein Gesicht“ oder „Du bist viel zu hübsch für eine Boxerin“ - Sprüche wie diese bekommt sie immer mal wieder zu hören. Graeff pflegt dann zu entgegnen: „Ein guter Boxer ist ein schöner Boxer.“ Das könnte ein Zitat von Muhammad Ali sein.